Kontroversen in Diagnostik und Therapie beim Prostata Krebs

Prof. Dr. Dr. med. habil. Ben L. Pfeifer, Lexington, USA

Zusammenfassung:
Dieser Beitrag ist kein Versuch, eine umfassende Abhandlung über Prostata Krebs zu vermitteln, dazu sind einschlägige Textbücher viel besser geeignet. Hier sollen vielmehr einige Kontroversen und neuere Aspekte in der Diagnostik und Behandlung dieser Krankheit kritisch betrachtet werden, um Ärzte und betroffene Patienten gleichermaßen anzustoßen, sich mit den umstrittenen Problemen dieses Krankheitsbildes auseinander zu setzen. Nur mit Sachkenntnis kann man eine individuell optimierte Betreuung erreichen und das Leiden durch Prostata Krebs verringern. Der Krebs der Vorsteherdrüse ist in den letzten 30 Jahren immer häufiger geworden, und nach dem Lungenkrebs zur zweithäufigsten krebsbedingten Todesursache beim Mann aufgestiegen. Wissenschaftler und Ärzte suchen nach immer besseren Möglichkeiten für Diagnose und Therapie. Eine Ideallösung ist dabei sicherlich noch in weiter Ferne, jedoch werden ständig kleine Teilerfolge errungen, die zum Wohle betroffener Patienten eingesetzt werden können.

Einleitung:
In den westlichen Industriestaaten steigt die Häufigkeit von Prostata Krebs stetig an. In den USA wurden zum Beispiel im Jahre 1993 etwa 165 000 Männer mit Prostata Krebs diagnostiziert, im Jahre 1996 waren es bereits 320 000 Männer. In Deutschland sind die Verhältnisse ähnlich, wenn auch durch die geringere Bevölkerungszahl die absoluten Zahlen niedriger liegen. Der Anstieg in der Häufigkeit wird im wesentlichen als ein Ergebnis einer verbesserten Vorsorgeuntersuchung (“Screening”) mittels prostata-spezifischem Antigen (PSA) angesehen. Da Prostata Krebs vor allem ältere Männer trifft und sich die Altersstruktur in den meisten westlichen Industriegesellschaften weiterhin in Richtung höheres Lebensalter verschiebt, wird die Anzahl der Neuerkrankungen für den häufigsten Krebs des Mannes auch weiterhin ansteigen.

Es ist somit zu erwarten, dass Prostata Krebs zu einem internationalen Gesundheitsproblem heranwachsen und enorme finanzielle Mittel für Diagnostik und Therapie verschlingen wird. Diese Entwicklung ist mehr als besorgniserregend, da wir gegenwärtig keine Behandlung für diese Erkrankung kennen,  von der wir verlässlich wissen, dass sie Heilung herbeiführen kann, Lebensverlängerung bewirkt, oder wenigsten dem Patienten mehr gutes als schlechtes beschert. Mit diesem Hintergrund wird das Dilemma um Prostata Krebs all zu deutlich. Urologen, Radiologen, und Onkologen werden von einer immer besser informierten und kritischen Schar von Patienten gefordert, sachkundig und ohne Voreingenommenheit für ihre Fachrichtung Auskunft über Vor- und Nachteile der verfügbaren diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten zu geben.

Dabei werden die folgenden Fragen immer häufiger gestellt: Welchen Wert hat eine regelmäßige Voruntersuchung durch rektales Abtasten der Prostata und gleichzeitige PSA Kontrolle? Kann die Gewebsentnahme (Biopsie) zur Diagnosesicherung vielleicht den Prozess der Krebsaussaat (Metastasierung) begünstigen? Welche Behandlungsmethode ist die beste? Sollte man vielleicht zunächst gar nichts tun und abwarten (“Watchful Waiting”)? Was kann sonst noch getan werden, um Prostata Krebs günstig zu beeinflussen? Im Moment haben wir keine abschließenden, wissenschaftlich fundierten Antworten auf diese Fragen. Dieser Beitrag versucht deshalb, durch eine Diskussion von Kontroversen bezüglich Diagnostik und Therapie bei Prostata Krebs wenigstens einen erneuten Denkanstoß all denen zu geben, die sich zum Wohl der Patientengemeinschaft einsetzen.

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